Diese Woche berichtete Jochen Krisch bei Exciting Commerce über die Vorliebe einiger Top 500 Shops (Umsatz größer 500.000 € und meist aus der Haustierbranche) für Eigenentwicklungen bei e-Commerce Lösungen. Seine Begründung ist dabei sehr einleuchtend:
Die marktprägenden Shopsystemhersteller haben zu lange auf die Anforderungen der vermeintlichen Big Player aus dem Multi-Channel- und Katalogversand gesetzt und so zunehmend die Expertise bei den reinen Online-Versendern verloren (s. Shoppingsysteme mit Zukunft). Bezeichnend für diese Entwicklung ist, dass ausgerechnet ein Newcomer wie Magento als erster mit einer Lösung für Clubkonzepte aufwartet.
Auch wir bei Visions haben vor unserer Ausrichtung auf Magento ausschließlich individuelle e-Commerce Lösungen entwickelt, da Standardlösungen für unsere Kunden wegen der Ausrichtung auf Alleinstellungsmerkmale nicht interessant waren. So lösten wir bei Aria.co.uk, einem der größten online Shops für Computer Komponenten in England, 2007 die frühere individuelle Lösung durch eine neue Eigenentwicklung ab, die bis heute sehr erfolgreich eingesetzt wird.
Da jedoch die Anforderung an Standard-Funktionen immer weiter wuchs und der Aufwand diese in bereits bestehende Eigenentwicklungen zu integrieren nicht in dem Verhältnis zum Mehrwert stand, spielten wir, wie viele andere e-Commerce Dienstleister auch, mit dem Gedanken eine eigene Lösung aufzusetzen mit der wir dann bestens aufgestellt sein würden (theoretisch). In den Anfängen der Planung unserer eigenen Lösung sahen wir dann Varien mit der Umsetzung von Magento mit einem 60 Mann starken Entwicklungsteam beginnen. Genau der richtige Zeitpunkt, um unsere Planung mit der von Varien abzugleichen und dann festzustellen, dass Open Source in Kombination mit einem so starken Entwicklungsteam uns sehr bald überlegen sein würde. Wir prüften außerdem die bereits bestehenden Systeme von Anbietern, die auf der Suche nach neuen Partneragenturen waren, wie Intershop, Oxid und ePages. Diese konnten bei den Aspekten Funktionsumfang, Erweiterbarkeit und Systemarchitektur jedoch nicht mit den zu diesem Zeitpunkt angestrebten Zielen von Magento mithalten.
Glücklicherweise bewahrheiteten sich die ehrgeizigen Ziele von Magento und es konnte innerhalb von nur zwei Jahren ein e-Commerce System erstellt werden, welches bei Kunden wie Mydeco, die prädestiniert für eine Eigenlösung waren, bereits im Sommer 2008 die erste Wahl als Plattform wurde. In einem Interview im Shopbetreiber-blog hatte ich Mydecos Beweggründe detaillierter beschrieben. Auch die Serie “Magento und die Open Source Zukunft 2009-2010” gab einen schönen Ausblick auf die Dynamik hinter Magento durch den Open Source Faktor.
Zusammenfassend ist aus meiner Sicht zu sagen, dass eigenentwickelte e-Commerce Lösungen nur dann eine Option sein sollten, wenn in-house über die Qualitäten eines Softwareherstellers verfügt werden kann und ein Framework geschaffen wird, welches es verhindert in die bekannte Einbahnstraße zu fahren, aus der man nicht mehr ohne Systemwechsel heraus kommt. Dieses Problem ist bis jetzt bei jeder mir bekannten e-Commerce Eigenentwicklung aufgetreten. Durch den individuellen Ansatz verbaut man sich zu leicht die Optionen, die im schnelllebigen e-Commerce so dringend aufgeriffen werden sollten und dann zu einem späteren Zeitpunkt als Alleinstellungsmerkmal dienen sollen.
Standardlösungen hingegen sollten nur dann eingesetzt werden, wenn man durch das System einen Großteil der Anforderungen bereits abdecken kann und dann sichergestellt ist, dass die eigenen Anpassungen in Form von Modularen Erweiterungen erfolgen können, die die Updatefähigkeit des Standardsystems nicht beeinflussen. Nur dann erhalte ich mir den Vorteil an der Weiterentwicklung zu partizipieren und nicht jede Funktion selber umsetzen zu müssen. Wegen dieses Problems sind schon viele Unternehmen mit stark angepassten Standardlösungen nicht mehr in der Lage gewesen weiterhin dem Pfad des Softwareherstellers zu folgen.